BFV
MARKEN Strategie + Design
Von Kalifornien in die Hauptstadt für den Berliner Fussball-Verband
Nach 1 1/2 Jahren Zusammenarbeit hat der Berliner Fussball-Verband (BFV) im September 2023 sein neues Branding veröffentlicht. In diesem Zusammenhang möchte ich dich ein wenig mit hinter die Kulissen nehmen, um aufzuzeigen, was hinter der neuen Strategie und dem neuen Design steckt und wie wir zu dem Ergebnis gekommen sind. Ich war letztes Jahr als digitaler Nomade in der Welt unterwegs, zuletzt einen Monat in meiner alten Heimat San Diego, Kalifornien, als ich erfahren habe, dass wir den Pitch für das Re-Branding-Projekt des Berliner Fussball-Verbandes gewonnen haben. Eine große Sache für eine junge Branding-Agentur wie MINDROOM, die gerade mal im zweiten Jahr war.
Ich wusste, dass es ein großes Herzensprojekt wird, weil ich in der Vergangenheit mehrere Jahre in verschiedenen Berliner Bezirken gelebt, bei Nike im Branding-Team für die Fußball-Kategorie gearbeitet und in der Berlin-Liga Fußball gespielt habe.
Dadurch hatte ich nicht nur einen Bezug zur Stadt, sondern auch zum BFV und zum Amateurfussball. Mir war auch bewusst, dass ein Re-Branding für einen traditionsreichen Verband mit über 180.000 Mitgliedern, einem großen Präsidium, einem noch größeren Projektteam, vielen Entscheidern und einer verstaubten Status-Quo-Wahrnehmung kein Sonntagsspaziergang wird. Daher habe ich mich dazu entschieden, für 5 Monate in die Hauptstadt zu ziehen, um mich voll und ganz in das Projekt reindenken und einfühlen zu können, mit dem Ziel, gemeinsam mit dem Projektteam den authentischen Kern der Marke herauszuarbeiten.
Ganz nach dem Motto: „If you want to understand how a lion hunts, don’t go to the zoo. Go to the jungle.“
ZURÜCK IN DEN GROß-STADT-DSCHUNGEL
Berlin war also für die nächsten 5 Monate mein Dschungel, meine Spielwiese und mein Ort der Inspiration und Kreativität. Es ging darum, zu beobachten, die richtigen Fragen zu stellen und aufmerksam zuzuhören, um den Verband und die Stadt zu verstehen.
Doch Berlin war für mich noch mehr: Durch eine persönliche Krise im vorherigen Jahr war es auch ein Ort, der mit emotionalem Schmerz behaftet war. Inwiefern das eine entscheidende Rolle für das Ergebnis gespielt hat, erfährst du im späteren Verlauf.
Da der BFV zu dem Zeitpunkt keine wirkliche Markenidentität besaß, wenig Klarheit darüber herrschte, wofür die Marke im Kern stand, und der Verband mit der Zeit eine konservative, verstaubte und autoritäre Wahrnehmung entwickelt hatte, zielte das Re-Branding darauf ab, dem Berliner Fußball-Verband eine neue Identität, eine neue Richtung, neue Klarheit, neues Selbstbewusstsein und eine neue Wahrnehmung zu verleihen.
Für die Vorbereitung auf das Projekt habe ich mir viele Dokumente durchgelesen, Gespräche geführt, den Status-Quo genau unter die Lupe genommen und mir überlegt, in welche Richtung das Ganze gehen kann. Ich habe außerdem direkt angefangen, beim Kreuzberger Kultverein Hansa 07 zu kicken, um sofort Teil des Berliner Amateurfußballs zu sein. Den Teamgeist, den ich von Anfang an bei Hansa 07 gespürt habe, war Inspiration für die Workshops und hatte somit auch einen großen Einfluss auf das Endergebnis.
ALLER ANFANG IST SCHWER
Zum ersten Workshop bin ich leicht nervös, aber mit einer guten Portion Optimismus gefahren. Ich wusste nicht, was mich erwartet und wie das 17-köpfige Projektteam, bestehend aus BFV-Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen, Vereinsvertretern und Ehrenamtlichen, drauf ist. Fünf Stunden später saß ich frustriert im Auto. Der Workshop lief nicht.
Wir haben zwar darüber gesprochen, was der BFV alles macht und wie die verschiedenen Zielgruppen aussehen, aber ich habe nicht geschafft, den Workshop in eine zielführende Richtung zu leiten. Wir sind nicht auf eine Branding-Ebene gekommen, sondern haben uns in rationalen Diskussionen und unwichtigen Details verloren. Man kann dem Projektteam keinen Vorwurf machen. Branding ist ein abstraktes und für viele erstmal schwer greifbares Thema. Trotzdem war der erste Workshop extrem wertvoll, denn er hat die Unklarheiten aufgezeigt und verdeutlicht, wo der BFV zu dem Zeitpunkt stand. Zudem gab er mir ein besseres Gefühl für die Gruppe.
Mit den wertvollen Insights und einem frustrierten Gefühl habe ich mir überlegt, wie man den zweiten Workshop zielführender und emotionaler gestalten kann. Denn obwohl Fußball der emotionalste Sport ist, habe ich beim ersten Workshop keine Emotionen gespürt. Daher stand zu Beginn des zweiten Workshops erstmal Fußballspielen auf dem Programm. Raus aus dem Kopf und rein ins Gefühl. Anschließend haben wir einen Mannschaftskreis geformt und ich habe eine Ansage gemacht, um klar zu machen, worum es im Branding-Prozess geht und dass Veränderung nur funktioniert, wenn sie von innen kommt.
„Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können den Prozess so wie am Montag fortführen, nur im Kopf bleiben, keine Emotionen zeigen und uns in jedem kleinen Detail verlieren. Dann haben wir am Ende leere Worthülsen, die irgendwo stehen, keine Bedeutung haben und austauschbar sind. Oder wir haben den Mut offen für etwas ganz neues zu sein, kommen ins Gefühl und lassen unsere Emotionen in den Prozess einfließen, um etwas zu erschaffen, was ihr verinnerlicht, was von euch gelebt wird, was zu wirklicher Klarheit führt, was einzigartig ist und authentisch zu Berlin passt. Um das hinzubekommen, müsst ihr euch wieder daran erinnern, was es bedeutet ein Team zu sein und wie sich wirklicher Amaterufußball anfühlt. Ihr erklärt den Amateurfußball, aber ihr lebt ihn aktuell nicht.“
Das Fußballspielen, die Ansage und ein paar neue Methoden während des Workshops haben Früchte getragen, sodass die Energie eine ganz andere war und der zweite Workshop dadurch viel besser lief. Wir konnten die Markenpersönlichkeit definieren und herausfinden, welche Probleme der BFV im Leben der Zielgruppen löst. Doch der wirkliche Durchbruch, der Aha-Moment, der Punkt, an dem alle Puzzleteile zusammenkommen, blieb noch aus. Trotzdem waren die ganzen Impulse und Informationen vom zweiten Workshop wieder sehr wichtig und wertvoll.
Häufig ist es so, dass die besten Ideen zwischen den Workshops kommen, wenn alle Impulse vom Unterbewusstsein verarbeitet werden. Die besten Ideen kommen nicht während der Dusche, im Auto oder beim Spaziergang aus dem Nichts, sondern weil wir vorher unseren Verstand mit wichtigen Informationen und Impulsen gefüttert haben. Ähnlich wie beim Muskelaufbau braucht man im Brainstorming sowohl die Anspannung, den Austausch und die Diskussionen als auch die Entspannung, die Stille und den Abstand zur Aufgabe, um zu kreativen und neuen Gedanken zu kommen.
DER DURCHBRUCH
Wie eingangs erwähnt, war Berlin für mich eine Stadt, mit der ich auch emotionalen Schmerz verbinde. Ein Trennungsthema, das während meines Aufenthalts in Berlin wieder sehr präsent war. Einige Tage nach dem zweiten Workshop, als ich abends in meiner Unterkunft auf der Couch saß, habe ich mich in der Anonymität des schnelllebigen Berlins einsam gefühlt, unter anderem weil gerade Sommerpause war und wir kein Training hatten. In diesem Moment kam dieser Schmerz wieder hoch. Ich habe mich bewusst nicht abgelenkt, sondern habe einfach nur das Gefühl zugelassen. Und während ich da meditierend in der Stille saß und Tränen in den Augen hatte, kam irgendwann der wichtigste Gedanke des kompletten Prozesses. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper, weil ich wusste, dass dieser Gedanke die Essenz, die Story, die Richtung und der Durchbruch ist, der bis dahin gefehlt hat. Ich bin sofort aufgesprungen und habe dem Marketing Chef um 23 Uhr eine WhatsApp mit der Idee geschickt. Kurze Zeit später habe ich sein Go bekommen, woraufhin ich dann bis drei Uhr nachts an der Präsentation für den nächsten Workshop gearbeitet habe.
WELCHE STORY ERZÄHLT DER BFV?
In diesem Workshop ging es dann vor allem darum, folgende Fragen zu beantworten: Warum braucht Berlin den Amateurfußball? Was macht den Berliner Amateurfußball aus? Was wäre, wenn es den BFV nicht geben würde?
Aus all den Informationen der drei Workshops, dem Kerngedanken während der Meditation, den Beobachtungen in Berlin, beim BFV und bei Hansa 07, habe ich die Richtung für den vierten und letzten Workshop abgeleitet. Ziel war es, dass alle beteiligten die Richtung verstehen, verinnerlichen und sich mit ihr identifizieren können:
Berlin ist die Stadt der Freiheit, in der man machen kann, was man will und sein kann, wer man will. Doch aufgrund der Größe der Stadt, der Anonymität, des Überangebots, der Schnelllebigkeit und der Unverbindlichkeit fühlen sich viele Menschen einsam und verlieren sich. Das nehme ich sowohl bei mir, als auch bei vielen anderen Menschen in dieser Stadt stark war. All das, was einem Berlin durch all diese Faktoren NICHT geben kann, kann einem der Amateurfußball geben.
Die Stadt der Freiheit braucht den Amateurfußball wie keine andere Stadt, weil er den Menschen Halt, Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Struktur, Identität, Selbstbewusstsein und ein soziales Zuhause bietet. Der Amateurfussball bringt Ruhe in die Hauptstadt, Ordnung in das Chaos und Zugehörigkeit in die Anonymität.
Das ist die Story, die ihr erzählen müsst, an die ihr glauben müsst und die ihr leben müsst! Das wird aktuell nicht wahrgenommen, weil der Amateurfussball und der BFV für selbstverständlich genommen werden. Weil ihr nur über Fakten sprecht und keine Story erzählt. Stellt euch mal vor, es würde den Amateurfussball in Berlin NICHT geben! Das wäre eine absolute Katastrophe!
Wenn ihr versteht, was für einen riesigen Impact der BFV – also jeder Einzelne von euch – auf das Leben von Hunderttausenden Menschen in der Stadt hat, wird das alles ändern. Ihr werdet mit einem ganz neuen Gefühl zur Arbeit kommen. Ihr werdet euch mit viel mehr Selbstbewusstsein für den Amateurfußball einsetzen. Ihr werdet Entscheidungen mit viel mehr Klarheit treffen. Ihr werdet viel nahbarer und gemeinschaftlicher auftreten und die Menschen auf einer ganz anderen Ebene erreichen.“
Eine Vision ist nicht einfach nur eine Vision
Anschließend haben wir gemeinsam die neue Markenmission, die Markenvision, die Kernwerte und die Markenstimme definiert.
Die neue Vision lautet: EIN TEAM BERLIN
Die neue Mission lautet: Weil WIR den Amateurfußball brauchen
Bisher wurde der BFV als autoritäre und unnahbare Instanz wahrgenommen. Mit der neuen Strategie wird sich das ändern.
„Ob als Aktive:r auf dem Platz, als Ehrenamtliche:r neben dem Platz oder als Ermöglicher:in im Hintergrund sind wir EIN TEAM BERLIN. Ein Team, das für Vertrauen, Zusammenhalt und Respekt steht. Ein Team, das sich gemeinsam für den Amateurfußball einsetzt, getrieben von dem Ziel, Woche für Woche mehrere Hunderttausend Menschen auf den Fußballplätzen der Hauptstadt zusammenzubringen.
Ein Team Berlin
Weil Wir Gemeinschaft brauchen.
Weil Wir Zugehörigkeit brauchen.
Weil Wir Beständigkeit brauchen.
Weil Wir Weiterentwicklung brauchen.
WEIL WIR DEN AMATEURFUßBALL BRAUCHEN.“
Die neue Strategie führt zu einem neuen Mindset und einem neuen Miteinander. Verkörpert durch eine Vision und eine Mission, die leicht verständlich sind und als Referenzpunkt für Entscheidungen dienen. Wenn die neue Vision und Mission wirklich verinnerlicht, verstanden und gelebt werden, sind sie mehr als nur Worte auf Papier. Sie repräsentieren die neue Ausrichtung, den authentischen Kern und die Identität, die den Verband, die Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit mit Partnern, die Unternehmenskultur, die Kommunikation, die Wahrnehmung und die Markenidentität prägen.
EIN NEUES DESIGN MIT ALTEN ELEMENTEN
Im nächsten Schritt ging es dann darum, die neue Strategie in ein hochwertiges, bedeutungsvolles und ganzheitliches Design zu übersetzen.
Uns war wichtig, ein Element vom alten Logo mit ins neue zu nehmen, um die lange Historie des BFV hervorzuheben. Wir haben uns für den Berliner Bären entschieden, weil er mit Berlin assoziiert wird, in Berlin überall zu sehen ist und dadurch zur neuen Vision: „Ein Team Berlin“ passt.
Wenn man sich das alte Logo mal genauer anschaut, dann wirkt der Bär, als wäre er in einer Abwehrhaltung, nach dem Motto: „Komm mir bloß nicht zu nah“, und als würde er das „B“ wegschieben. Also genau die Wahrnehmung, die der BFV nicht mehr haben will.
Wir haben uns im Team gefragt: Was ist, wenn wir nur den Oberkörper zeigen und einen Ball drüber setzen. So wird aus einem Bären in Abwehrhaltung ein Bär der Fußballspielt, Spielfreude ausstrahlt und nahbar wirkt. Also genau die gewünschte Wahrnehmung, die wir ausgearbeitet haben.
Der Bär befindet sich außerdem in einem offenen, dicken „B“, angelehnt an den Berliner Kultsong „Dickes B“ von Seeed. Die Öffnung im „B“ symbolisiert Berlins Offenheit gegenüber allen Menschen. Mit dem hohen Wiedererkennungswert und seiner Bedeutung ist das Logo nicht nur sehr schnell zu erfassen und hebt sich von den anderen Landesverbänden ab, sondern passt auch perfekt zum Berliner Fussball-Verband und zur Hauptstadt.
Die Farbpalette des BFV kombiniert die Primärfarben Rot, Anthrazit und Weiß mit den Sekundärfarben Gelb, Schwarz und Hellgrau. Das Gelb haben wir insbesondere gewählt, weil auf vielen Berliner Fußballplätzen gelbe Spiellinien zu finden sind.
Die neue Schriftart „Exo“ ist durch die verschiedenen Schnitte vielseitig einsetzbar und wirkt zeitlos, modern, selbstbewusst, hochwertig und freundlich.
Derzeit wird die bestehende Website überarbeitet, die voraussichtlich bis zur Euro2024 live geschaltet wird.
Jedes Branding Projekt erzählt seine eigene spannende und einzigartige Geschichte. Für den BFV war das erst der Anfang, denn eine authentische und starke Marke, also eine gewünschte Wahrnehmung aufzubauen, ist ein langfristiger Prozess. Das Fundament dafür haben wir gemeinsam erschaffen. Wenn du, dein Unternehmen oder dein Verband Hilfe beim Aufbau einer einzigartigen und authentischen Marke braucht, dann meld dich einfach bei mir.
Cheers, Pat
„Im Projekt und in den Ergebnissen haben wir gemerkt, dass es ein Herzensprojekt für euch ist. Diese Positivität und Leidenschaft hat sich auf das Projektteam übertragen und findet sich in der neuen Markenidentität wieder. Danke für euren Einsatz und das neue Erscheinungsbild des Berliner Fußballs – wir sind sehr zufrieden und werden es weiter mit Leben füllen.“